Nicht lockerlassen

Der Weg aus der Intensivpflegebedürftigkeit

„Das war witzig: Ich habe nach hinten links doppelt gesehen, wenn ich mich umgedreht habe“, erinnert sich Monika Nikolay an die Zeit kurz vor ihrer MS-Diagnose (Multiple Sklerose). Epilepsie hat sie seit ihrem 6. Lebensjahr – mit 20 wurde sie dann zur Untersuchung in die Klinik geschickt, um dem seltsamen Symptom auf den Grund zu gehen. „Dort hatte ich einen tollen Arzt, der jetzt leider in Rente ist.“, schwärmt Nikolay. „Aber dafür habe ich jetzt seine Nachfolgerin, die genauso toll ist.“

Monika Nikolay weiß ganz genau, was sie will – und was nicht. „Da waren auch viele Ärzt*innen, die ich nicht mochte. Ich konnte bald besser auf MRT-Bildern erkennen, wenn sich etwas verändert hatte.“ Bevor sie in die Belmer Intensivpflege-WG der DEUTSCHENFACHPFLEGE kam, war sie in Osnabrück untergebracht. Was dort genau geschah, hat sie nicht mitbekommen. „Ich bin aufgewacht und hatte eine Röhre im Hals.“ Dass ihr ohne ihre Zustimmung ein Tracheostoma inklusive Trachealkanüle gesetzt wurde, ärgert sie sehr. „Es ging mir wirklich schlecht.“ Nach einem Umweg über Oldenburg kam sie schließlich vor zwei Jahren in der WG in Belm an – genau richtig, wie sich jetzt zeigt.

Zunächst gab es aber lange Durststrecken, berichtet Uwe Eberding vom FmB. Er betreut Monika Nikolay seit ihrem ersten Tag in der DF. „Essen und Trinken waren wegen ihrer Schluckbeeinträchtigung nicht möglich“, erklärt er. „Sie hatte auch kein Sprachventil.“ Die Wende kam, als eine neue Logopädin für die WG gewonnen werden konnte: Christiane Seiffner von der Praxis Stimmklang. „Sie hat sich viel Zeit für Frau Nikolay genommen und nie lockergelassen, um herauszufinden, woran das Schluckproblem gelegen hat“, resümiert der Atmungstherapeut. Sie habe immer wieder Übungen angestrebt. Gemeinsam sind sie dann erste kleine Schritte gegangen: „Am Anfang haben wir die Above Cuff Ventilation (Link zu Uwes Video) durchgeführt, um die Stimmgebung und Schluckfähigkeit zu verbessern.“

Frau Nikolay hat dann z. B. Angedicktes oder Eiswürfel erhalten, um zu schauen, welche Nahrungsanteile sie gut schlucken kann. Uwe Eberding und das FmB haben außerdem eine Tracheoskopie gemacht, um im Hals nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. „Eine Schluckuntersuchung hat Frau Nikolay nicht zugelassen – wegen schlechter Erfahrungen.“ Schritt für Schritt wurde weitergemacht, bis Monika Nikolay wieder sprechen konnte. Bei einer fachärztlichen Visite wurde schließlich entschieden, die Trachealkanüle zu entfernen, wenn das Abschlucken klappt. Auch das hat schließlich gut funktioniert, die Kanüle konnte gezogen werden. „Gut, dass das ekelhafte Metall aus meinem Hals raus ist“, sagt Nikolay. Das Tracheostoma wurde immer kleiner und daher keine OP nötig, um es zu schließen. Das hat der HNO-Arzt einfach ambulant machen können, es gab also keine klinische Einweisung.

„Damit ist Frau Nikolay nicht mehr intensivpflegebedürftig“, freut sich Uwe Eberding für seine Klientin. Naja, aber ohne Intensivpflicht kann sie doch wohl nicht mehr in der WG bleiben, oder? „Die haben mich rausgeworfen“, schmunzelt Monika Nikolay. Da hat sie tatsächlich gar nicht so unrecht. „Sie können ja aber im gleichen Haus wohnen bleiben und mussten nur eine Etage umziehen“, stellt Uwe Eberding klar, denn: Im gleichen Gebäude der Belmer Intensivpflege-WG gibt es eine Pflege-WG für Alten- und Krankenpflege, die ebenfalls zum Verbund der DEUTSCHENFACHPFLEGE gehört. Und wirklich: Als wir das Gespräch führen, stehen quasi noch Umzugskartons um das Bett von Frau Nikolay, erst am selben Tag hat der Umzug, der ihr ein großes Stück Freiheit ermöglicht, stattgefunden.

Und all das, obwohl viele anfangs skeptisch waren. „Die haben eher die Gefahren gesehen. Deswegen haben wir einen akribischen Plan inklusive Reevaluierung ausgearbeitet. Und dann wurde es ein Selbstläufer“, so Uwe Eberding. „Man muss ganz klar sagen, dass der Erfolg nur dadurch zustande kommen konnte, dass zum einen Frau Nikolay willens war und gut mitgearbeitet hat, und zum anderen, dass die Logopädin mit viel Fachwissen am Ball geblieben ist.“